Mary Ellen Mark bei C/O in Berlin  |  | Mary Ellen Mark, Kissing in a bar, New York, 1977 | |
Mary Ellen Mark ist in Deutschland noch eine Unbekannte. Das will nun die Berliner Fotoinstitution C/O ändern und stellt das Schaffen der 2015 im Alter von 75 Jahren verstorbenen amerikanischen Fotografin in einer ersten umfassenden Retrospektive vor. Die Ausstellung „Encounters“, die die Kuratorinnen Melissa Harris und Sophia Greiff in Zusammenarbeit mit New Yorker Mary Ellen Mark Foundation konzipierten, versammelt fünf wichtige Projekte, an denen Mark in den 1970er und 1980er Jahren arbeitete: „Ward 81“, in der sie Frauen in einer psychiatrischen Station in Oregon über Wochen dokumentierte, „Falkland Road“, eine Reportage über Sexarbeiter*innen in Mumbai, „Mother Teresa’s Missions of Charity“, eine visuelle Erforschung sowohl ihrer Persönlichkeit als auch ihrer Mission, „Indian Circus“, eine Fotoserie über reisende Zirkusfamilien, oder Marks preisgekröntes Projekt „Streetwise“ und das anschließende „Tiny: Streetwise Revisited“ aus den 2010er Jahren – beides Arbeiten über die Kinderprostituierte Erin Charles aus Seattle, deren Geschichte Mark über 30 Jahre und viele Hoffnungen und Enttäuschungen hinweg begleitete.
Schon diese Auswahl macht deutlich, dass Mary Ellen Mark immer auch eine Fürsprecherin für Menschen am Rande der Gesellschaft war. Vor ihrer Kamera standen oft die marginalisierten Gruppen der Gesellschaft. Mit humanistischen Idealen ging die Reportagefotografin und Porträtistin den Hilfsbedürftigen und Stigmatisierten nicht aus dem Weg, sondern entwickelte eine Bildsprache, um die besonderen Lebensumstände würdevoll und urteilsfrei zu zeigen. Selbst sozialisiert in einer Hochphase der US-amerikanischen Frauenrechtsbewegung, ist es kein Wunder, dass Mark ihren Blick oft auf Frauen und Mädchen richtete. Und manchmal schwingt auch Humor mit, etwa auf dem Foto „Kissing in a bar“ von 1977: Eine ältere Frau mit riesigen auffälligen Brillengläsern, die weißen Haare auftoupiert, klammert sich an ihr Glas am Bartresen, während sie ihrer jüngeren männlichen Begleitung leidenschaftlich einen Kuss auf die Lippen drückt. Die Zigarette ist schon ausgedrückt, der Barkeeper zählt schon das Geld, der Abend ist aber noch zu jung, um auf die Lebenslust zu verzichten.
Die Ausstellung „Mary Ellen Mark. Encounters“ läuft vom 16. September bis zum 18. Januar 2024. C/O Berlin im Amerika Haus hat täglich von 11 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 12 Euro, ermäßigt 6 Euro. Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Steidl Verlag und kostet 48 Euro.
C/O Berlin Foundation
Hardenbergstraße 22-24
D-10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 284 441 662 |