Nadia Kaabi-Linke in Berlin  |  | in der Ausstellung „Nadia Kaabi-Linke. Seeing Without Light“ | |
Der Hamburger Bahnhof in Berlin präsentiert die bislang umfangreichste Schau zum Schaffen von Nadia Kaabi-Linke. Unter dem Titel „Seeing without Light“ haben die Kurator*innen Sam Bardaouil und Daria Prydybailo Arbeiten aus zwei Jahrzehnten zusammengeführt. Die in Berlin, Tunis und Kiew lebende Künstlerin setzt sich mit Spuren der Gewalt in der heutigen Gesellschaft auseinander. Kaabi-Linke geht es hierbei um historische Auslöschungen und die Rolle von Zensur und Gewalt in der Kunst- und Politikgeschichte Mitteleuropas. Im Zentrum steht das aktuelle Projekt „Blindstrom for Kazimir“. In dieser Rauminstallation mit ihren schwarzen und weißen Rechtecken an den Wänden bezieht sich Kaabi-Linke auf den „Spezfond“, eine von den sowjetischen Behörden in den 1920er und 1930er Jahren zusammengetragene Sammlung zensierter Gemälde. Dieser historische Umstand gewinnt neue Aktualität durch den russischen Angriff auf ukrainische Kulturstätten und Sammlungen, die seit der Invasion Anfang 2022 geplündert und zerstört werden.
Zudem ist die Neuproduktion „Bud’mo“, ein im Frühjahr 2023 in der Ukraine produziertes Video-Klangprojekt, zum ersten Mal im Hamburger Bahnhof zu sehen. Nadia Kaabi-Linke, 1978 mit einem ukrainischen Hintergrund in Tunis geboren, greift dazu auf den ukrainischen Trinkspruch „Bud’mo“ zurück, der in etwa „Lasst uns sein“ bedeutet, und versetzt die Besucher*innen in den sogenannten Partisanenwald „Chornyi Lis“ und den Bronetskyi-Wald im ukrainischen Galizien. Damit geht sie auf historische Zusammenhänge und teils vergessene Überschneidungen der ukrainischen, deutschen und russischen Geschichte ein. Eigens für die Ausstellung schuf Kaabi-Linke die Installation „Platform 69“, die auf den stillgelegten Güterbahnhof Moabit verweist, von dem während der NS-Zeit mehr als 30.000 Menschen deportiert wurden.
Das Sujet von Krieg und Zerstörung findet sich auch in dem großformatigen Gemälde „Sepulchre“ von 2013/14. Das Bild hängt vor Fadenvorhängen von der Decke und zeigt den lebensgroßen Transferdruck eines Grabsteins von einem Berliner Friedhof, der die Spuren der Kämpfe des Zweiten Weltkriegs trägt. Die durchlässigen Vorhänge der Ausstellungsarchitektur stehen als Metapher für Kaabi-Linkes Auffassung von Geschichte als einer zeitlichen Dimension, die in den Schichten unseres Lebens gleichzeitig abwesend und präsent ist. Hinter der scheinbar ruhigen Oberfläche verbergen sich die Spuren von Gewalt, die alle Werke der Künstlerin bestimmt. Die 2016 geschaffenen Skulptur „Salt and Sand“ am Ausstellungsende erinnert an die Geschichte der britischen Kolonialherrschaft in Indien.
Die Ausstellung „Nadia Kaabi-Linke. Seeing Without Light“ läuft bis zum 7. April 2024. Der Hamburger Bahnhof hat dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr und am Wochenende von 11 und 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro. Zur Ausstellung erscheint eine kleine Publikation zum Preis von 12 Euro. Im Rahmen der Berlin Art Week findet am 16. September um 16 Uhr ein Gespräch mit der Künstlerin statt.
Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart
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